Nils Büttner, Christoph Wagner (Hrsg.)

Journal für Kunstgeschichte – Jahrgang 2017 Heft 4

Heft 4 von 2017

Vorwort der Herausgeber Ad fontes! – Quellen, so heißt es, muss man in der Originalsprache lesen, und das gilt nicht minder für die Vielzahl kunsttheoretischer Schriften und Traktate, mit denen die Kunstgeschichte überreich gesegnet ist. Wozu also Übersetzungen anstreben, wenn die Lektüre des Originaltexts ohnehin zu Recht als unverzichtbar gilt? Allerdings ist freilich nicht immer vorauszusetzen, dass Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker jedweder Ausrichtung, auch nicht Studierende, Nachwuchswissenschaftler, ja nicht einmal alle akademischen Fachvertreterinnen und Fachvertreter, die grundlegenden Quellenschriften des Fachs in der Originalsprache gelesen haben: So wird es inzwischen auch zur Aufgabe, Giorgio Vasaris Lebensbeschreibungen der Künstler, Le Vite, die zu den unverzichtbaren primären Quellen der Kunstgeschichte gehört, in deutscher Übersetzung einem breiten Publikum zugänglich zu machen, wie es in der jüngst vorgelegten und in diesem Heft ausführlich besprochenen monumentalen neuen Gesamtausgabe geschehen ist. Vasaris Lebensbeschreibungen bilden nicht nur das ehrwürdige Herzstück der italianistischen Kunstgeschichte, sondern sind ein Gründungstext der Kunstgeschichte [...]

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Reihe: 1. Auflage 2017, 17 x 24 cm, Broschur klebegebunden,

Erscheinungstermin: 11. Dezember 2017
ISBN: 51714
Artikelnummer: 51714 Kategorie:

Vorwort der Herausgeber Ad fontes! – Quellen, so heißt es, muss man in der Originalsprache lesen, und das gilt nicht minder für die Vielzahl kunsttheoretischer Schriften und Traktate, mit denen die Kunstgeschichte überreich gesegnet ist. Wozu also Übersetzungen anstreben, wenn die Lektüre des Originaltexts ohnehin zu Recht als unverzichtbar gilt? Allerdings ist freilich nicht immer vorauszusetzen, dass Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker jedweder Ausrichtung, auch nicht Studierende, Nachwuchswissenschaftler, ja nicht einmal alle akademischen Fachvertreterinnen und Fachvertreter, die grundlegenden Quellenschriften des Fachs in der Originalsprache gelesen haben: So wird es inzwischen auch zur Aufgabe, Giorgio Vasaris Lebensbeschreibungen der Künstler, Le Vite, die zu den unverzichtbaren primären Quellen der Kunstgeschichte gehört, in deutscher Übersetzung einem breiten Publikum zugänglich zu machen, wie es in der jüngst vorgelegten und in diesem Heft ausführlich besprochenen monumentalen neuen Gesamtausgabe geschehen ist. Vasaris Lebensbeschreibungen bilden nicht nur das ehrwürdige Herzstück der italianistischen Kunstgeschichte, sondern sind ein Gründungstext der Kunstgeschichte insgesamt, und lieferten über lange Zeit Konzepte und Koordinaten für viele kunstwissenschaftliche Entwicklungslinien, auch wenn diese zwischenzeitlich zu Recht als Setzungen kritisch geprüft und hinterfragt worden sind: Lange ist die Liste der rezeptions- und wissenschaftsgeschichtlichen Etappen, in denen Vasaris Viten mal als unverzichtbare Quellen einer präzisen historischen Kontextualisierung vorausgesetzt oder gefeiert, mal umgekehrt als fehlerstrotzende literarisch-narrative Konstruktion eines auf die Toskana, Florenz und Michelangelo als Höhepunkt der Kunst fixierten Schriftstellers ideologiekritisch kritisiert wurden. Die Wahrheit liegt dabei – wie sooft – zwischen diesen beiden Polen. Längst sind die Viten nicht mehr der virtuelle Bezugspunkt der vielgestaltig ausgreifenden, ja gelegentlich ausfasernden kunstwissenschaftlichen Forschungen und doch ist und bleibt die Lektüre der Viten Vasaris als Gründungsschrift der Kunstgeschichte eine unverzichtbare Pflicht- und Basislektüre für jeden, der sich auf dem Boden der Kunstgeschichte bewegt. Aus heutiger Perspektive kann man leicht übersehen, dass ‚historische‘ Quellen wie Vasaris Viten in ihrer Entstehungszeit auch ein gutes Stück Gegenwartsbeschreibung widerspiegeln. Nicht zufällig enden Vasaris Viten mit seiner eigenen Lebensbeschreibung. Darin ist nicht zuletzt ein bemerkenswertes Stück Ehrlichkeit des Autors enthalten. Zugleich enthält dieser Sachverhalt auch für die heutige Kunstgeschichtsschreibung eine wichtige Erkenntnis. Zwischen den Extremen einer einerseits ahistorisch geschichtsvergessen mit anthropologischen Motiven hantierenden Kunstgeschichte einer aus dieser Sicht sich scheinbar zeitlos perpetuierenden Betrachtung der Kunst und einer andererseits historistisch übersteuernden Geschichtskonstruktion, die für ihre eigenen Gegenwartsbezüge und die historische Veränderlichkeit historischer Koordinatensysteme blind ist, gilt es – wie zwischen den mythischen Polen von Skylla und Charybdis – in einer offenen methodologischen Reflexion, die auch den eigenen aktuellen historischen Standpunkt nicht vergisst, je neu die Balance auszutarieren. Wenn die historische Quelle von heute die Gegenwartsnotiz von damals bildet, dann stellt sich für uns auch die spannende Frage, wer denn ‚die Vasaris‘ des 20. und 21. Jahrhunderts sind, die für unsere Kunstbetrachtung wichtige Verschiebungen in das System der Kunstgeschichte eintragen haben und fortwährend neu eintragen? Die dann oftmals schnell mit kulturpessimistischer Larmoyanz vorgetragene Klage, dass uns diese Vasaris über dem ‚Verlust der Mitte‘ der Kunst in der Gesellschaft abhandengekommen seien, macht es sich zu einfach, denn so oder so bleiben wir in das Kräfteparallelogramm solcher Bestimmungen eingebunden. Dieser doppelten Perspektivierung auf die Standortbestimmungen der Gegenwart und die historischen Koordinaten der Kontextualisierung ihrer Gegenstände ist auch das Journal für Kunstgeschichte kontinuierlich verpflichtet, indem hier ebenso auf die historischen Fluchtpunkte der geschichtlichen Quellen geachtet wie zugleich aber auch stets nach den aktuellen Kursbestimmungen und Koordinaten der Gegenwartskunst gefragt wird. So etwa mit Blick auf die auf der 57. Biennale in Venedig im Deutschen Pavillon aufgeführte bedeutende Performance Faust von Anne Imhof, die Thema des nächsten Heftes sein wird. Das kunsthistorische Spektrum wird in diesem Heft mit dem Blick auf Prachteinbände im Mittelalter und die Analyse der Rätsel der Typologie in der Bildenden Kunst der Vormoderne eröffnet. Es folgt der Blick auf Neuerscheinungen auf dem Gebiet der frühneuzeitlichen Kunst, wo das Spektrum von einer Kirche als Monument der Gegenreformation bis zu neuen Ansätzen in der Van Eyck-Forschung reicht. Die aktuellen Positionen zu Geschichte, Aufgaben und Perspektiven des Museums werden enzyklopädisch im Handbuch Museum versammelt. Dann gilt es der Ritualkunst zwischen Kult und Museum zu folgen, um die ‚dissonanten Ästhetiken‘ am Beispiel Afrikas in den Blick zu nehmen. Neutestamentliche Gleichnisse in der Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts werden sodann unter den Aspekten der religiösen Tradition und einer säkularen Ethik betrachtet und nach der Bedeutung von esoterischen Randerscheinungen wie dem Mesmerismus und Hypnotismus für die bildende Kunst im 19. Jahrhundert gefragt, um sich schließlich mit der künstlerischen und medialen Repräsentationen des Holocaust zu beschäftigen, in der sich historische Analyse und Gegenwartsbezug unter den Vorzeichen einer moralischen Standortbestimmung verbinden lassen. Allen Autorinnen und Autorinnen, die sich mit ihren Beiträgen an den in dieser Zeitschrift entfalteten kritischen Diskursen beteiligt haben, sind wir wie immer zu Dank verpflichtet, ebenso unseren Mitarbeiterinnen, Anne Wiegand in Regensburg und Sabrina Lind in Stuttgart, die auch dieses Heft zuverlässig und punktgenau in den redaktionellen Vorbereitungen begleitet haben.

Nils Büttner, Christoph Wagner (Hrsg.)

Reihe: (ZJB-JOUR)
Sprache: Deutsch
Auflage: 1 2017
Medium: Heft
Einbandart: Broschur klebegebunden
Format: 17 x 24 cm
Gewicht: 275 g
Erscheinungsdatum: 11. Dezember 2017
ISBN: 51714
Verlag: Schnell & Steiner
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