Nils Büttner, Christoph Wagner (Hrsg.)

Journal für Kunstgeschichte – Jahrgang 2018 Heft 2

Heft 2 von 2018

Vorwort der Herausgeber Er ist verschwunden. Der Überblick ist dem Fach verloren gegangen, – mit Erich Kästners Worten – „wie andern Leuten ein Stock oder Hut.“ Es gab Zeiten, da vermochten einzelne Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker von sich zu behaupten, dass sie das Fach in seiner ganzen Breite überblickten. Heute werben Studienorte damit, dass sie „im Rahmen ihrer personellen und materiellen Ressourcen“ „sich bemühen“, „das Fach Kunstgeschichte in seiner ganzen Breite zu vermitteln.“ Das Eingeständnis, dass dem Bemühen durch die materiellen und personellen Ressourcen Grenzen gesteckt sind, ist dabei notwendig ehrlich. Denn die Erfüllung des Versprechens, das Fach in seiner ganzen Breite zu vermitteln, hängt ja nicht nur an Dozenten und am Lehrangebot, sondern auch an der Motivation und der Verweildauer der Studierenden im Studium. Mit Blick auf die von Bachelor und Master diktierten Bedingungen vermögen selbst hochmotivierte Studierende nicht die Hoffnung zu nähren, dass bei der oftmals vollmundig versprochenen Breite, [...]

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Reihe: 1. Auflage 2018, 17 x 24 cm, Broschur klebegebunden,

Erscheinungstermin: 18. Juni 2018
ISBN: 51812
Artikelnummer: 51812 Kategorie:

Vorwort der Herausgeber Er ist verschwunden. Der Überblick ist dem Fach verloren gegangen, – mit Erich Kästners Worten – „wie andern Leuten ein Stock oder Hut.“ Es gab Zeiten, da vermochten einzelne Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker von sich zu behaupten, dass sie das Fach in seiner ganzen Breite überblickten. Heute werben Studienorte damit, dass sie „im Rahmen ihrer personellen und materiellen Ressourcen“ „sich bemühen“, „das Fach Kunstgeschichte in seiner ganzen Breite zu vermitteln.“ Das Eingeständnis, dass dem Bemühen durch die materiellen und personellen Ressourcen Grenzen gesteckt sind, ist dabei notwendig ehrlich. Denn die Erfüllung des Versprechens, das Fach in seiner ganzen Breite zu vermitteln, hängt ja nicht nur an Dozenten und am Lehrangebot, sondern auch an der Motivation und der Verweildauer der Studierenden im Studium. Mit Blick auf die von Bachelor und Master diktierten Bedingungen vermögen selbst hochmotivierte Studierende nicht die Hoffnung zu nähren, dass bei der oftmals vollmundig versprochenen Breite, die notwendige Tiefe nicht auf der Strecke bleibt. Wer heute eine Hochschule verlässt, überblickt das Fach nicht mehr in seiner ganzen Breite. Manchmal gilt das auch für ihre Professorinnen und Professoren: Früher mag es noch Menschen gegeben haben, die das Fach Kunstgeschichte vollständig überblickten. Eine Reminiszenz an diese glücklichen Zeiten sind Formulierungen in Ausschreibungstexten. Darin sucht man dann „eine Wissenschaftlerin/einen Wissenschaftler, die/der das Fach in seiner ganzen Breite vertritt.“ Diese Forderung ist vermutlich eher ein Beleg für den Traditionssinn von Berufungskommissionen als ein im Wortsinn einlösbares Ziel: Gerade dort, wo man sich solche Bewerberinnen und Bewerber wünscht, ist die Kommission vermutlich nicht mehrheitlich mit Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern besetzt, die von einem einzelnen Fakultätskollegen aus einer verwandten Disziplin unterstützt werden. Vielmehr sucht man eher deshalb nach Vertretern und Vertreterinnen der ganzen Breite, weil sie eben die einzigen sein sollen, die das Fach professoral vertreten. Da sitzen dann Philologen, Historiker und Philosophen, die sich jemanden wünschen, der die Kunstgeschichte in ihrer ganzen Breite vertritt. Dabei würde der beteiligte Romanist, der weit besser italienisch als französisch kann, nie für sich in Anspruch nehmen, als Philologe, der er ja ist, auch die Skandinavistik zu vertreten oder eine Einführung in die finno-ugrische Sprachwissenschaft anzubieten. Auch die Germanistin würde vermutlich als Literaturwissenschaftlerin keine lehrenden Ausflüge in die Linguistik machen, weil das ja ein zwar verwandtes Feld, aber eben die Aufgabe der Kollegin oder des Kollegen ist. Genauso wie die Althistorikerin tunlichst bei ihren Leisten bleibt, um den für die Vertretung der Frühen Neuzeit berufenen Kollegen nicht zu verärgern. In beinahe allen wissenschaftlichen Fächern hat die sich zunehmend auch in der Kunstgeschichte abzeichnende Spezialisierung zur heute schon längst als selbstverständlich empfundenen Aufspaltung der Disziplinen geführt. Nur die Kunstgeschichte hat diesen Schritt an vielen Orten nicht vollzogen, sondern gelegentlich sogar in einer gleichsam paradoxen Gegenreaktion auch noch die ‚globale‘ Ausrichtung des Faches zu institutionalisieren versucht. Die ‚Globale Kunstgeschichte‘ ist dabei eine metadiskursive Praxis, die mit guten Gründen die tradierten Vorstellungen von den in ihrer ganzen Breite nicht lehr- oder lernbaren Inhalten des Faches infrage stellt. Wer das allerdings fruchtbar tun will, bedarf eines Überblicks über die vielfältigen Diskurse, die in ihrer Gesamtheit das unüberschaubar gewordene Fach Kunstgeschichte bilden. Ausschnitte aus diesen Diskursen zeichnen sich auch in den Rezensionen des Journals für Kunstgeschichte ab, von denen auch dieses Heft wieder einen aktuellen und repräsentativen Querschnitt bietet. Wie stets an dieser Stelle danken die Herausgeber den Autorinnen und Autoren, die durch ihre im besten Sinne kritischen Beiträge diese Diskurse nicht nur sichtbar machen, sondern auch befeuern. Allein die Tatsache, dass eine Neuerscheinung einer Betrachtung wert erschien, ist ja in Zeiten der Überfülle keine Selbstverständlichkeit mehr. Wir danken aber nicht nur den Verfassern und Verfasserinnen, sondern auch unserer Leserschaft, die durch die Rezeption der Diskurse ebenfalls zu ihm beitragen und die sich dadurch vielleicht aufgerufen fühlen, selbst zur Feder zu greifen. Vorschläge für zu besprechende Bücher sind uns stets willkommen. Die an den Schluss gesetzte Liste der an die Redaktion gesandten Neuerscheinungen und der im Entstehen begriffenen Beiträge mag diesen Wunsch unterstreichen. Last, not least gilt es den Mitarbeiterinnen in Regensburg und Stuttgart zu danken. Wir wünschen allen viel Vergnügen bei der Lektüre, die sicherlich keinen Gesamtüberblick über das Fach sicherstellt, aber immerhin Orientierungen zu aktuellen Diskussionen in den unterschiedlichsten Forschungsfeldern der Kunstgeschichte anbietet.

Nils Büttner, Christoph Wagner (Hrsg.)

Reihe: (ZJB-JOUR)
Sprache: Deutsch
Auflage: 1 2018
Medium: Heft
Einbandart: Broschur klebegebunden
Format: 17 x 24 cm
Gewicht: 295 g
Erscheinungsdatum: 18. Juni 2018
ISBN: 51812
Verlag: Schnell & Steiner
Cover: Cover download

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