Christoph Wagner, Birgit Ulrike Münch (Hrsg.)

Journal für Kunstgeschichte – Jahrgang 2021 Heft 2

Heft 2 von 2021

Vorwort der Herausgeber Kunst und Kunstgeschichte in Coronazeiten Wir hätten es wohl alle nicht für möglich gehalten: dass wir nun im dritten Semester in Folge die Lehre nahezu vollständig über Onlineveranstaltungen realisieren, Vorlesungen über Screencasts produzieren und in Mediatheken einstellen, die die Studierenden nutzen, wenn wir schon längst wieder an anderen Dingen arbeiten! ‚Asynchron‘ und ‚virtuell‘, das sind zwei von vielen neuen Zauberbegriffen einer weltweit pandemisch geprägten Gegenwart. Die technischen Zentralen und Rechtsabteilungen haben in Windeseile entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen, damit die alltägliche Lehre und Prüfungen bis hin zu Promotions- und Habilitationsverfahren via Zoom, Teams, Cisco Webex oder Gotomeeting ordnungsgemäß um Abschluss gebracht werden können. Digitale 360°-Rundgänge entsprechen nun dem, etwa vom neuen Erasmus+ Programm, geforderten Ziel digital, nachhaltig und inklusiv zu werden: alle können nun reisen, und auch kürzere Auslandsaufenthalte sind nun möglich im Auslandssemester, was zum Beispiel gut ist für jene, die zuvor nicht längerfristig umziehen konnten. Was auf [...]

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Reihe: 1. Auflage 2021, 17 x 24 cm, Broschur klebegebunden,

Erscheinungstermin: 10. Juni 2021
ISBN: 50112
Artikelnummer: 50112 Kategorie:

Vorwort der Herausgeber Kunst und Kunstgeschichte in Coronazeiten Wir hätten es wohl alle nicht für möglich gehalten: dass wir nun im dritten Semester in Folge die Lehre nahezu vollständig über Onlineveranstaltungen realisieren, Vorlesungen über Screencasts produzieren und in Mediatheken einstellen, die die Studierenden nutzen, wenn wir schon längst wieder an anderen Dingen arbeiten! ‚Asynchron‘ und ‚virtuell‘, das sind zwei von vielen neuen Zauberbegriffen einer weltweit pandemisch geprägten Gegenwart. Die technischen Zentralen und Rechtsabteilungen haben in Windeseile entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen, damit die alltägliche Lehre und Prüfungen bis hin zu Promotions- und Habilitationsverfahren via Zoom, Teams, Cisco Webex oder Gotomeeting ordnungsgemäß um Abschluss gebracht werden können. Digitale 360°-Rundgänge entsprechen nun dem, etwa vom neuen Erasmus+ Programm, geforderten Ziel digital, nachhaltig und inklusiv zu werden: alle können nun reisen, und auch kürzere Auslandsaufenthalte sind nun möglich im Auslandssemester, was zum Beispiel gut ist für jene, die zuvor nicht längerfristig umziehen konnten. Was auf der Strecke bleibt, wie zu wenig Praxis, und wie dies kompensiert werden kann, muss freilich noch erarbeitet werden. In den Museen hat sich ebenfalls unendlich viel seit den ersten Schrecksekunden zu Beginn der Pandemie hinter den geschlossenen Museums- und Ausstellungstüren getan: nicht nur in der Öffentlichkeitsarbeit, sondern auch in der digitalen Erschließung von Sammlungsbeständen, daneben Podcasts, Livetouren und intensivere Nutzung der sozialen Medien. Seit Ende März hat der Louvre seinen gesamten Bestand von 480.000 Objekten vollständig in seiner Online-Sammlung1 zugänglich gemacht, einschließlich der Dokumentation von Tagebuchblättern, Skizzen, abweichenden Werkfassungen und Forschungsdokumentationen. Viele andere Museen sind auf diesen und anderen Wegen unterwegs, die Türen zu ihren Schätzen virtuell zu öffnen. Best-Practice Beispiele sind in großer Zahl zu finden, wie etwa in der National Gallery in London, im Musée du Quai Branly – Jacques Chirac in Paris oder im Digital Art Museum Tokyo, wo mit TeamLab Borderless die Grenzüberschreitung hin zum Objekt exemplifiziert wird. Die Angebote nehmen tagtäglich zu und sind inzwischen zu einer nahezu unüberschaubaren Fülle angewachsen. Sie verändern Kommunikations-,Wahrnehmungs-, Recherche- und auch Forschungsformen. Ein vielfältiges Programm an Online-Touren und -Führungen ist in den Museen inzwischen Realität geworden, selbstredend sind die großen Kunstmessen wie die Art Basel vollständig ins Netz verlegt worden. Auch hier haben wir inzwischen mit Studierenden virtuelle Exkursionen absolviert. Zweifellos gibt es unter diesen digitalen Formaten auch nicht wenige missglückte oder lediglich überbrückungsweise akzeptable Angebote: Auf digitale Ausstellungseröffnungen können viele Menschen, nach einem vor dem Bildschirm verbrachten Arbeitstag, gerne verzichten! Was als Aufgabe dringlicher denn jemals zuvor bleibt: die von der Coronapandemie auch in diesen Bereichen der Kunst, der Museumsarbeit, der akademischen Forschung und Lehre angerichteten Schäden nüchtern zu bilanzieren und diese Erkenntnis gegen alle gefühlten ‚Effizienzsteigerungen‘ und Versprechungen einer schönen neuen Welt zu verteidigen. Es gilt, kritisch zu hinterfragen, welche digitalen Möglichkeiten die Kunstgeschichte wirklich nachhaltig weiterbringen und welche parallel oder als Notfalllösung, aber nicht alsSubstitut attraktiv sind. Die durch technische Rahmenbedingungen noch forcierte Benachteiligung sozial schwacher Gesellschaftsgruppen, auch unter den Studierenden, hat zugenommen und darf nicht verschwiegen werden. Ehemals bestehende zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten für ein akademisches Studium sind für viele weggebrochen. Sozialer Austausch und soziale Begegnungen sind auch für viele junge Menschen seit über einem Jahr drastisch reduziert. Vergessen wir nicht, dass genau dies das Fundament für Kunst und auch für Kunstgeschichte bleibt, die beide auf Vermittlung und soziale Interaktion angewiesen sind. Erst-, Zweit- und Drittsemester haben bis heute keinen solchen ‚normalen‘ akademischen Alltag mehr erlebt. Nach einem Jahr Coronapandemie erkennen wir umso deutlicher, dass nicht nur die Kunst, sondern auch unsere digitalen Medien, aber auch wir Menschen Grenzen haben, unsere Aktivitäten vollständig in die Welt der Onlineangebote zu verlagern. Auch stehen wir noch ganz am Anfang, die sozialen, politischen, ja partiell diskriminierenden Implikationen der von uns geschaffenen technischen Rahmenbedingungenund Algorithmen wirklich kritisch zu reflektieren. Die Sehnsucht nach Präsenz hat allerorten zugenommen: die Sehnsucht nach Kunstwerken mit ihrer spezifischen Materialität und Phänomenologie, die Sehnsucht nach Orten, an denen gemeinsam geforscht, gelehrt, diskutiert, gesprochen, zugehört, ausgestellt wird, Orte, an denen Spontanität und der Kairos des fruchtbaren Moments realisiert werden können. Kunst und Kunstgeschichte brauchen Präsenz! Zu einem kleinen Teil versuchen wir dies im Journal für Kunstgeschichte herzustellen – gemeinsam mit unseren Autorinnen und Autoren, denen wir ebenso für ihre Beiträge danken wie unseren Mitarbeiterinnen Celina Berchtold, Anna Baumer und Hannah Semsarha für ihre redaktionelle Unterstützung.

Christoph Wagner, Birgit Ulrike Münch (Hrsg.)

Reihe: (ZJB-JOUR)
Sprache: Deutsch
Auflage: 1 2021
Medium: Heft
Einbandart: Broschur klebegebunden
Format: 17 x 24 cm
Gewicht: 307 g
Erscheinungsdatum: 10. Juni 2021
ISBN: 50112
Verlag: Schnell & Steiner
Cover: Cover download

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