Vorwort der Herausgeber Vom Wert der Kunst und vom Wert der Kunstgeschichte Am 24. März 2015 beginnt in Mainz der XXXIII. Deutsche Kunsthistorikertag. Das Motto des diesjährigen Kongresses ist der »Wert der Kunst«. Ganz unmittelbar denkt man bei dieser, ins Zentrum des reichhaltigen Programms gestellten Frage an die aktuellen Kunstverkäufe des Landes Nordrhein-Westfalen oder die noch immer nicht abgeschlossenen Diskussionen um die causa Gurlitt. Neben den einschlägigen juristischen und ökonomischen Aspekten der Fragestellung geht es den Veranstaltern vor allem um die sich verändernde Wertzumessung in einer zunehmend globalisierten und kulturell vielfältigen Gesellschaft. Zumindest implizit gerät damit auch die Frage nach dem Wert der Kunstgeschichte samt ihrer aktuellen wissenschaftssystematischen und methodischen Positionierungen in den Blick, die Frage danach welchen Beitrag die kunsthistorischen Fachdiskurse zur gesamtgesellschaftlichen Diskussion bereits leisten und noch leisten können. Nach den bedeutenden bildwissenschaftlichen Erweiterungen der Kunstgeschichte unter den Vorzeichen des iconic turn in den frühen 1990er Jahren treten heute aktuell die methodischen Erweiterungen in den Feldern der digitalen Kunstgeschichte, der Digital humanities, der Global Art, der Gegenwartskunst und der kunsthistorischen Filmanalyse hinzu. Vom kontinuierlichen Bemühen um die aktive Diskursgestaltung zeugt nicht nur eine stetig wachsende Zahl nationaler und internationaler Fachtagungen, sondern auch und gerade eine unaufhörlich wachsende Zahl wissenschaftlicher Publikationen. Angeblich hat sich in den vergangenen hundert Jahren die Menge des Publizierten alle 15 Jahre verdoppelt. Allein in der Bundesrepublik Deutschland gibt es mehr als 2.000 Verlage, die im Jahr 2013 insgesamt 81.919 Titel in Erstauflage herausgebracht haben. Zu diesen inklusive der Neuauflagen fast 100.000 Titeln kommt dann, dank eines globalisierten Marktes, noch ein internationales Buchangebot. Alleine in den USA, in Großbritannien und Frankreich sind das noch einmal eine halbe Million Titel. Auch wenn fraglos nur ein Bruchteil dieser Publikationen kunsthistorischen Fragestellungen gewidmet sein dürfte, ist die Zahl der Neuerscheinungen doch so groß geworden, dass ein Gesamtüberblick völlig ausgeschlossen ist. Während man noch vor zweihundert Jahren alle bedeutenden Neuerscheinungen selbst gelesen haben konnte und noch vor hundert Jahren zumindest in der Lage war sich einen vollständigen Überblick des Faches und seiner Publikationen zu verschaffen, ist heute jeder Anspruch auf einen universellen Überblick völlig unmöglich geworden. Mit der Unmöglichkeit, alles Neue selbst zu lesen, wächst allerdings der Wert von Rezensionen. Nicht alles selbst lesen zu müssen, sondern von kompetenten Lesern eine kritische Einführung in ein neues Werk zu erhalten, verdeutlicht Fragestellungen, vermittelt methodische Einsichten und macht diskursive Formationen sichtbar. Geleitet auch durch die wechselnden Interessen unserer verschiedenen Autorinnen und Autoren hat das vorliegende Heft einen Schwerpunkt auf der Kunst der Vormoderne. Ein breites Spektrum unterschiedlicher Beiträge ist verschiedenen Annäherungen und Zugängen gewidmet, nimmt etwa den Paragone im Quattrocento in den Blick, das peripatetische Sehen in den Bildkulturen der Vormoderne oder die Typologie in der Frühen Neuzeit. Gerade die zahlreichen Rezensionen zur deutschen und niederländischen Kunstgeschichte erscheinen dabei gleichsam als methodischer Mikrokosmos, der vom Museumskatalog und seiner auf das Einzelobjekt gerichteten Fragehaltung über die klassische Künstlermonografie bis zur Frage der Expressivität in der Kunst um 1500 reicht. Wie immer sind auch die anderen kunstwissenschaftlichen Arbeitsfelder mit Beiträgen aus dem Bereich der Kunst-, Bild- und Medientheorie, der Moderne sowie ausdrücklich auch aus dem Bereich der Filmgeschichte vertreten: Das damit abgesteckte Spektrum reicht von den cineastischen Emotionen über die Ästhetik des ‚American Way of Life‘ bis zur die Spur des Traumas in den Künsten. Der Wert kunsthistorischer Rezensionen steht außer Frage, und es ist den Autoren dieses Heftes zu danken, dass sie sich lesender- und schreibenderweise an der Wertschöpfung beteiligt haben. Diesen Dank an die Autoren dieses Heftes wollen wir mit der Einladung an all jene Verbinden, die unserem Journal bisher nur als Leser verbunden sind, selbst als Autoren kritischer Rezensionen aktiv zu werden. Rezensionen aus allen Gebieten bild- und kunstwissenschaftlichen Arbeitens sind stets genauso willkommen wie Vorschläge für Besprechungen. Dank gilt auch dieses Mal unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Regensburg und Stuttgart, die das Entstehen dieses Heftes organisatorisch unterstützt haben, namentlich Gerald Dagit, Katharina Frank, Theresa Häusl, Dr. Andrea Richter und Daniel Rimsl.
Journal für Kunstgeschichte – Jahrgang 2015 Heft 1
Heft 1 von 2015
Vorwort der Herausgeber Vom Wert der Kunst und vom Wert der Kunstgeschichte Am 24. März 2015 beginnt in Mainz der XXXIII. Deutsche Kunsthistorikertag. Das Motto des diesjährigen Kongresses ist der »Wert der Kunst«. Ganz unmittelbar denkt man bei dieser, ins Zentrum des reichhaltigen Programms gestellten Frage an die aktuellen Kunstverkäufe des Landes Nordrhein-Westfalen oder die noch immer nicht abgeschlossenen Diskussionen um die causa Gurlitt. Neben den einschlägigen juristischen und ökonomischen Aspekten der Fragestellung geht es den Veranstaltern vor allem um die sich verändernde Wertzumessung in einer zunehmend globalisierten und kulturell vielfältigen Gesellschaft. Zumindest implizit gerät damit auch die Frage nach dem Wert der Kunstgeschichte samt ihrer aktuellen wissenschaftssystematischen und methodischen Positionierungen in den Blick, die Frage danach welchen Beitrag die kunsthistorischen Fachdiskurse zur gesamtgesellschaftlichen Diskussion bereits leisten und noch leisten können. Nach den bedeutenden bildwissenschaftlichen Erweiterungen der Kunstgeschichte unter den Vorzeichen des iconic turn in den frühen 1990er [...]