Vorwort der Herausgeber Kunst und Krise Kurz nach Auslieferung des ersten Heftes hat sich unser aller Leben durch Covid-19 massiv verändert. Das „neue“ Leben mit der Pandemie bedeutet auch ein Umdenken für Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker, die in den unterschiedlichsten Arbeitsbereichen, sei es Studium und Lehre, Denkmalpflege, Tourismus, Kunsthandel oder Museum neue Wege beschreiten müssen. Dieses ist geprägt von Zoom-Konferenzen, der gesteigerten Suche nach digitalen Ressourcen und Präsentationsformen, von neuen Formen der Online-Auktion, von Ausstellungen, die kurz vor der Eröffnung abgesagt wurden und im besten Fall in ständiger Absprache mit den Leihgebern im Dunkeln auf den Tag der Wiedereröffnung warten oder Messen wie die Maastrichter TEFAF, die – in diesem Falle in Anbetracht der nun bekannten Infektionsrate unter den ausstellenden Galeristen wohl zu spät – geschlossen wurden. Aber auch von Museumsobjekten, die, wie die Menschen, ebenso in Quarantäne geschickt wurden – und über die nun nach mehreren Wochen Ausnahmezustand die Frage verhandelt wird, ob diese Quarantäne – neben allen wirtschaftlichen und kulturellen Einbußen – nicht auch positive Aspekte für die Sammlungen mit sich bringen kann. Für viele Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker, etwa im freiberuflichen Bereich, stellt sich das Bild selbstredend anders dar, und nicht wenige befinden sich seit den jüngsten Entwicklungen in einer prekären Situation. Museen wie etwa das Historische Museum Frankfurt, aber auch Institutionen in Hamburg, Köln und vielen anderen Städten legen „Corona-Archive“ an – sammeln Artefakte als Zeitzeugen und die Geschichten dahinter, um in der Zukunft Bilder der Pandemie konservieren zu können. Auch über dieses derzeitige Corona- Bild wird diskutiert. Gibt es dieses überhaupt? Oder ist die Krankheit, die sich primär im Körperinneren abspielt, eine Krankheit, die ihr Gesicht, entweder durch Beatmungsgerät oder aufgrund der Rückenlage des Patienten, gar nicht offenbart. Das Bild der Medien, die sich zu Anfang gerne entweder dem verharmlosenden pastellfarbigen Virenspiel oder christbaumschmuckartigen dekorativen Visualisierungen hingaben und hiernach mit „Made in China“ vereinzelt eine aggressive Schuldzuweisung durch Bilder unternahmen, ist mittlerweile vielschichtiger. Vielleicht ist es aber auch noch zu früh, über die Corona-Ikonografie nachzudenken. Es ist eine alte und kontrovers diskutierte Frage, wie lange Geschichte zurückliegen muss, um wissenschaftlich angegangen zu werden. Zweifellos schwimmen wir selbst als in unterschiedlichen Formen Betroffene oder Beteiligte in einer derzeit unübersichtlichen Quellenlage, die es in den nächsten Jahren auch in kunst- und kulturhistorischen Perspektiven zu sichten gilt. Solche Krisensituationen geben Anlass, sich Rechenschaft zu geben über das, was wir tun, was wir nicht zuletzt auch mit Blick auf den 2020 erfolgten Herausgeberwechselin den zurückliegenden Jahren im Journal für Kunstgeschichte getan haben: Seit dem Jahre 2013 sind in den zurückliegenden sieben Jahren unter der editorischen Betreuung von Nils Büttner und Christoph Wagner 361 Rezensionen geschrieben und veröffentlicht worden, in denen – in überraschend gleichmäßiger Verteilung – Publikationen aus über 160 Verlagen vertreten sind, darunter gleichgewichtig von allen bedeutenden kunsthistorischen Fachverlagen. Diesen breit gefächerten Ertrag wollen wir auch zukünftig für Sie in dieser ausponderierten Form einbringen und dabei nicht zuletzt auch die Perspektive auf internationale Publikationen noch verstärken: Im Journal für Kunstgeschichte waren und sind Rezensionen in englischer, französischer oder italienischer Sprache jederzeit willkommen! Wie angekündigt haben wir die Systematik unserer Gliederungspunkte für die Beiträge im Register des Journals für Kunstgeschichte leicht angepasst und erweitert: Nun heißt es nicht mehr „Judentum, Islamische Kultur“, sondern „C. Judentum und Islam: Religionen und Kulturen“. Neu geordnet kommen hinzu „J. Museologie, Kunstvermittlung und Denkmalpflege“, „K. Cultural Heritage, Provenienzforschung, Sammlungsgeschichte“, „L. Gender studies, Queer studies, Postcolonial studies“, „M. Kunst und Ökologie“ und anstatt wie bisher „Weltkunst, Außereuropäische Kunst“ heißt es nun kurz und bündig „N. Kunst global“. Wie bisher sollen auch in Zukunft alle Sparten in angemessener Gewichtung Beachtung finden. Den Auftakt des aktuellen Heftes macht eine Besprechung zur lange erwarteten kommentierten ersten deutschen Ausgabe der Vite Belloris. Es handelt sich um die ersten beiden Publikationen des vor 12 Jahren begonnen und auf dreizehn Bände angelegten Forschungsprojektes, dessen Gesamtleitung Elisabeth Oy-Marra obliegt, unterstützt von einer zehnköpfigen Arbeitsgruppe ausgewiesener Experten der einzelnen Künstler, die jeweils eine oder zwei Viten kommentieren. Aus dem Bereich mediävistischer Forschung widmen sich zwei Rezensionen klösterlicher Kulturgeschichte, etwa in der von Jeffrey Hamburger, Eva Schlotheuber, Susan Marti, Margot Fassler und anderen herausgegebenen Publikation zu den Chorbüchern norddeutscher Dominikanerkonvente. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen des vormodernen Künstlers werden hinsichtlich der Typologie Migration versus Künstlerreise (Artists and Migration 1400–1850) im Band von Kathrin Wagner, Jessica David und Matey Klemenčič ebenso angesprochen wie im Band Künstlerfeste. In Zünften, Akademien, Vereinen und informellen Kreisen. Letztgenannte Rezension legt davon Zeugnis ab, dass die eingereichten Rezensionen teilweise bereits für das übernächste Heft redaktionell betreut werden. Die Rezension wurde noch in der Zeit bearbeitet, als Nils Büttner Mitherausgeber des Journals war. Aus diesem Grund wird hier eine Rezension aufgeführt, bei der die neue Mitherausgeberin zugleich Co-Herausgeberin des Bandes ist – ein Umstand, den wir ansonsten selbstredend vermeiden. Mit der Cappella Gregoriana und seiner Genese (Kaspar Zollikofer), gemalten Skulpturenretabeln wie auch der Benediktinerabtei Ottobeuren und „ihrer Bildwelt in Malerei und Plastik“, aber auch in Jennifer Bleeks Arbeit zum Helldunkel in Malerei und Film und der Aufsatzsammlung der Filmwissenschaftlerin Gertrud Koch Zwischen Raubtier und Chamäleon, wird übergreifend das Thema Intermedialität verhandelt. Wir hoffen, die vorgestellten Rezensionen helfen Ihnen, gerade auch in diesen Krisen-Zeiten, in denen auch viele Verlage unter Notbedingungen aus dem Homeoffice arbeiten, Bibliotheken zeitweise geschlossen, die Arbeitsabläufe der Literaturbeschaffung vielerorts verlangsamt oder unterbrochen sind und die Literaturversorgung nicht zuletzt in der akademischen Lehre zur Herausforderung wird, den Überblick über die Neuerscheinungen im Fach zu behalten. Ganz besonders herzlich danken wir allen Autorinnen und Autoren und unseren Mitarbeiterinnen, Celina Berchtold und Sophia von Kohout, dass sie auch unter diesen erschwerten Bedingungen unverdrossen ihre Arbeit fortsetzen! Auch betonen wir nochmals: wir freuen uns auch und gerade jetzt auf Ihre Vorschläge für weitere Rezensionen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Vor allem aber: Bleiben Sie gesund!
Journal für Kunstgeschichte – Jahrgang 2020 Heft 2
Heft 2 von 2020
Vorwort der Herausgeber Kunst und Krise Kurz nach Auslieferung des ersten Heftes hat sich unser aller Leben durch Covid-19 massiv verändert. Das „neue“ Leben mit der Pandemie bedeutet auch ein Umdenken für Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker, die in den unterschiedlichsten Arbeitsbereichen, sei es Studium und Lehre, Denkmalpflege, Tourismus, Kunsthandel oder Museum neue Wege beschreiten müssen. Dieses ist geprägt von Zoom-Konferenzen, der gesteigerten Suche nach digitalen Ressourcen und Präsentationsformen, von neuen Formen der Online-Auktion, von Ausstellungen, die kurz vor der Eröffnung abgesagt wurden und im besten Fall in ständiger Absprache mit den Leihgebern im Dunkeln auf den Tag der Wiedereröffnung warten oder Messen wie die Maastrichter TEFAF, die – in diesem Falle in Anbetracht der nun bekannten Infektionsrate unter den ausstellenden Galeristen wohl zu spät – geschlossen wurden. Aber auch von Museumsobjekten, die, wie die Menschen, ebenso in Quarantäne geschickt wurden – und über die nun nach mehreren Wochen Ausnahmezustand die Frage [...]