Vorwort der Herausgeber Wir haben es ja immer schon gewusst: Schöne, gedruckte Bücher sind nicht nur etwas fürs Auge, sondern – wie jüngste wissenschaftliche Großstudien mit viel Aufwand nachweisen – sie geben auch besonders gute Nahrung fürs Gehirn. Auf Papier gedruckte Bücher werden beim Lesen anders kognitiv rezipiert, verstanden und erinnert als digitale Texte am Bildschirm, so das Fazit von über 130 internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die – gemäß den Ergebnissen aus 54 Studien – nun in der sogenannten Stavanger-Erklärung eine Empfehlung aussprechen, das ‚Lektüremedium‘ je nach Lektüreziel und Textart zu wählen. Damit sollen nicht die alten Polarisierungen zwischen Digital- oder Printpublikationen neu eröffnet werden, ganz im Gegenteil: soweit technisch und finanziell machbar wären demnach Hybridpublikationen, die unterschiedliche Rezeptionsmodi ermöglichen, das Gebot der Stunde. Immerhin für das Journal für Kunstgeschichte ist dies schon seit einigen Jahren realisiert. Da inzwischen auch jedes gedruckte Buch in mehrfacher Form ein digitales Vorleben hat, beginnend auf dem Computer der Autorinnen und Autoren und endend in einem Druck-PDF eines Verlags, sind die Gegensätze Print und Digital ohnehin seit Langem fadenscheinig geworden. Auch die Kosten- und Energiebilanzen beider Publikationsformen wären erst noch in einer Vollkostenrechnung und mit Blick auf die heute vielfach noch nicht sichergestellte Nachhaltigkeit einer Langzeitarchivierung aktuell zu vergleichen. Das Journal für Kunstgeschichte bekennt sich zum gedruckten Buch, auch wenn wir inzwischen ebenso digitale Editionen berücksichtigen. Gerade in der Kunstwissenschaft geht es aber in der Regel nicht um ‚Informationshäppchen‘, sondern – im Sprachgebrauch der Stavanger-Erklärung – um ‚lange Informationstexte‘, für die es besser ist, ‚eine Papierversion‘, vulgo ein gedrucktes Buch, vorzuhalten. In unseren Rezensionen, die von der intellektuell-akademischen Diskussion der Inhalte Getrieben sind, bleibt zumeist die materielle Seite der Publikationen unerwähnt. Zu groß wäre nicht zuletzt die Gefahr, dass jede materielle und ästhetische Würdigung eine Publikation unausgesprochen in die Nähe des Verdikts rückt, ein Coffee Table-Book zu sein. Zu Unrecht, wie die Stavanger-Erklärung zeigt, denn genau darin liegt das auch kognitiv komplexe Angebot, das uns Bücher eröffnen können. Das wird gerade im Bereich kunstwissenschaftlicher Publikationen deutlich, die seit jeher eine besonders anspruchsvolle Gattung der Buchpublikation bilden: Tagtäglich sehen wir, wenn die Rezensionsexemplare in unserer Redaktion eintreffen, wie unterschiedlich gedruckte Bücher ausfallen können. Da werden Papiersorten und Druckqualitäten, das Raffinement der Typografie, des Buchsatzes oder auch die buchbinderische Verarbeitung, Qualitäten des Druckrasters oder die bei guten Verlagen im Hochleistungsbereich angesiedelten Farb- und Schwarzweißabbildungen sichtbar. Es ist eine Binsenweisheit, dass gedruckte Abbildungen ein Original nicht zu ersetzen vermögen, dazu brauchen wir nicht erst auf die mediengeschichtlichen Diskurse seit Walter Benjamin zu rekurrieren. Aber auch die wissenschaftlichen Diskurse und Argumentationsmöglichkeiten haben sich über die letzten Jahre hinweg grundlegend verändert, indem – gerade mithilfe der neuen Möglichkeiten der Digitalisierung – die Farbqualität gedruckter Reproduktionen um ein Vielfaches gesteigert und verbessert wurde. Dass immer noch kunsthistorische Bücher mit schlechten Abbildungen erscheinen, bleibt aber eine Tatsache. Man kann sich darüber nur wundern, denn in einem Fach, in dem die Bilder im Zentrum des Interesses stehen, sollten auch gute Abbildungen als bedeutsamer Beitrag zur Forschung gesehen werden. Dennoch bleibt die intellektuelle Tiefe, die sich auch im Umgang mit Abbildungen zeigt, das eigentliche Maß des fachlichen Diskurses, zu dem auch dieses Heft in Text und Bild einen Beitrag leistet. So laden die vorliegenden Rezensionen des Journals für Kunstgeschichte wieder aufs Neue ein, sich nicht nur intellektuell mit neuen kunsthistorischen Forschungsinhalten, sondern auch mit deren neuen Präsentationsformen im Medium Buch in allen seinen Dimensionen auseinanderzusetzen. Auch an dieser Stelle danken wir deshalb unseren Autorinnen und Autoren des Journals, die sich mit Elan durch die Neuerscheinungen hindurcharbeiten, gleich ob sie auf ein Exemplar mit lieblos gefertigter Klebebindung und einem katastrophalen Desktop-Publishing-Erscheinungsbild in Kopierqualität oder auf das hochwertig Gestaltete Kunstbuch treffen. Dank gilt auch wieder jenen Mitarbeiterinnen in Regensburg und Stuttgart, die unsere Arbeit unterstützen. Wir freuen uns auf jeden kritischen Hinweis, was im Journal noch fehlt. Rezensionsangebote und Hinweise auf Neuerscheinungen sind uns stets willkommen.
Journal für Kunstgeschichte – Jahrgang 2019 Heft 1
Heft 1 von 2019
Vorwort der Herausgeber Wir haben es ja immer schon gewusst: Schöne, gedruckte Bücher sind nicht nur etwas fürs Auge, sondern – wie jüngste wissenschaftliche Großstudien mit viel Aufwand nachweisen – sie geben auch besonders gute Nahrung fürs Gehirn. Auf Papier gedruckte Bücher werden beim Lesen anders kognitiv rezipiert, verstanden und erinnert als digitale Texte am Bildschirm, so das Fazit von über 130 internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die – gemäß den Ergebnissen aus 54 Studien – nun in der sogenannten Stavanger-Erklärung eine Empfehlung aussprechen, das ‚Lektüremedium‘ je nach Lektüreziel und Textart zu wählen. Damit sollen nicht die alten Polarisierungen zwischen Digital- oder Printpublikationen neu eröffnet werden, ganz im Gegenteil: soweit technisch und finanziell machbar wären demnach Hybridpublikationen, die unterschiedliche Rezeptionsmodi ermöglichen, das Gebot der Stunde. Immerhin für das Journal für Kunstgeschichte ist dies schon seit einigen Jahren realisiert. Da inzwischen auch jedes gedruckte Buch in mehrfacher Form ein digitales Vorleben hat, [...]