Die Schriften des Gelehrten Anselm († 1158), der als königlich-kaiserlicher und päpstlicher Gesandter, Bischof von Havelberg sowie Erzbischof von Ravenna wirkte, sind in ihrer Bedeutung für regularkanonikale Reformbewegungen im Hochmittelalter nicht zu verkennen. In seinem ca. 1138 bis 1146 verfassten „Verteidigungsbrief“ (Epistola apologetica) präsentiert Anselm eine Rechtfertigung des Stands der Regularkanoniker angesichts von Kritik aus den Reihen der Mönche. Anlass des Briefs ist ein Vorfall, der Anselm auch in seiner eigenen Identität als Regularkanoniker im Gefolge Norberts von Xanten bewegt: Petrus, Propst des namhaften Chorherrenstiftes Hamersleben, verlässt dieses und tritt als Mönch in das Benediktinerkloster Huysburg ein. Schnell schlägt der Skandal Wellen: Ekbert, der Abt von Huysburg rechtfertigt den Übertritt öffentlich mit dem verdienstvolleren Leben der weltabgewandten Mönche. Demgegenüber tritt Anselm vehement für die aktive, der Welt zugewandte Lebensweise der Regularkanoniker ein und verteidigt die spezifischen Aufgaben und Verdienste der vita canonica.
- Die vorliegende Edition bietet erstmals eine kritische Edition des Textes mit deutscher Übersetzung und Sachkommentar. Die Briefe Egberts von Huysburg, die Anselm den Anlass zum Verfassen des Verteidigungsbriefs gaben, sind im Anhang ebenfalls abgedruckt und übersetzt.
- Eine detaillierte Analyse der handschriftlichen Überlieferung und Rezeption gibt neue Einblicke in Kanonikerreformen des Hoch- und Spätmittelalters.